Abb. 1: Modellierte chemische Senken- und Quellenmassenflüsse von Glyoxalsäure in der wässrigen Phase für das urbane Szenario bei 90 % relativer Luftfeuchtigkeit unter der Annahme einer a) idealen Lösung, b) nicht-idealen Lösung. Der Unterschied in den absoluten Umsatz ist in c) gezeigt [Rusumdar et al., 2020]
Für das Verständnis von Multiphasenprozessen sind neben der dreidimensionalen Modellierung detaillierte Prozessmodelle unerlässlich. Diese werden sowohl für Sensitivitätsstudien als auch zur Interpretation experimenteller Daten eingesetzt. Ein wesentliches Ziel der Arbeiten ist die Entwicklung von Aerosol- und Wolkenmodulen, die eine komplexe Multiphasenchemie mit einer detaillierten Mikrophysik verbinden, und deren Nutzung in dreidimensionalen atmosphärischen Modellsystemen.
Die Beschreibung der Multiphasenprozesse erfolgt größenaufgelöst und berücksichtigt Partikelpopulationen unterschiedlicher Zusammensetzung. Bei der Simulation werden die Tropfenaktivierung, der Phasentransfer zwischen Gas- und Partikelphase und eine Vielzahl von heterogenen Reaktionen im Tropfen- bzw. an der Partikeloberfläche explizit beschrieben. Hierbei ist die Berücksichtigung der Nichtidealität der Lösung erforderlich [Rusumdar et al., 2020; Rusumdar et al., 2016]. Neben der wässrigen Phase richtet sich der Fokus zunehmend auf die organische Phase [Gatzsche et al., 2017].
Im Arbeitsbereich Multiphasenmodellierung werden in enger Kooperation mit dem Arbeitsbereich Laborexperimente komplexe Flüssigphasenmechanismen zur Modellierung von physiko-chemischen Mehrphasenprozessen in Wolkentröpfchen und deliqueszenten Aerosolpartikeln entwickelt und in numerischen Modellen angewendet. Den Schwerpunkt der Modellanwendungen bildet hierbei die Untersuchung von wolkenchemischen Oxidationsprozessen und deren Wirkung auf das troposphärische Oxidationsbudget. Zur Modellierung des komplexen troposphärischen Mehrphasensystems wird sowohl ein spektrales 0-dimensionales Boxmodell als auch das Luftpaketmodell SPACCIM (SPectral Aerosol Cloud Chemistry Interaction Model; Wolke et al. [2005]) genutzt. Diese beiden numerischen Modelle wurden in der Abteilung Modellierung des Institutes entwickelt. Der komplexeste derzeitig in Modellstudien verwendete Mehrphasenchemiemechanismus besteht aus dem nahezu expliziten Gasphasenmechanismus MCM mit mehr als 13000 Gasphasenreaktionen und dem Flüssigphasenmechanismus CAPRAM (Chemical Aqueous Phase Radical Mechanism) mit 7118 Flüssigphasenreaktionen in der aktuellsten Version CAPRAM 4.0 [Bräuer et al., 2019]. Der Phasentransfer von derzeit 276 löslichen Spurenstoffen ist nach dem Ansatz von Schwartz [1986] im Mechanismus implementiert.
Bräuer, P., et al. (2019), Development of a protocol for the auto-generation of explicit aqueous-phase oxidation schemes of organic compounds, Atmos. Chem. Phys., 19(14), 9209-9239, doi:doi:10.5194/acp-19-9209-2019.
Gatzsche, K., Y. Iinuma, A. Tilgner, A. Mutzel, T. Berndt, and R. Wolke (2017), Kinetic modeling studies of SOA formation from α-pinene ozonolysis, Atmos. Chem. Phys., 17(21), 13187-13211, doi:doi:10.5194/acp-2017-275.
Rusumdar, A. J., A. Tilgner, R. Wolke, and H. Herrmann (2020), Treatment of non-ideality in the SPACCIM multiphase model - Part 2: Impacts on the multiphase chemical processing in deliquesced aerosol particles, Atmos. Chem. Phys., 20(17), 10351-10377, doi:doi:10.5194/acp-20-10351-2020.
Rusumdar, A. J., R. Wolke, A. Tilgner, and H. Herrmann (2016), Treatment of non-ideality in the SPACCIM multiphase model – Part 1: Model development, Geosci. Model Dev., 9, 247-281, doi:doi:10.5194/gmd-9-247-2016.
Schwartz, S. (1986), Mass-transport considerations pertinent to aqueous phase reactions of gases in liquid-water clouds, in Chemistry of Multiphase Atmospheric Systems. NATO ASI Series (Series G: Ecological Sciences), vol 6., edited by W. Jaeschke, pp. 425-471, Springer, Berlin, doi:10.1007/978-3-642-70627-1_16.
Wolke, R., A. M. Sehili, M. Simmel, O. Knoth, A. Tilgner, and H. Herrmann (2005), SPACCIM: A parcel model with detailed microphysics and complex multiphase chemistry, Atmos. Environ., 39(23-24), 4375-4388.