EVIDENCE DRIVEN INDOOR AIR QUALITY IMPROVEMENT (EDIAQI)
Menschen sind ständig Luftverschmutzung ausgesetzt. Und das nicht nur im Freien, sondern auch in Innenräumen. Dabei steigt die Bedeutung der Innenräume, da immer mehr Zeit innen verbracht wird. Jüngste Untersuchungen zeigen, dass die Menschen in den Industrieländern bis zu 90 Prozent ihrer Zeit in Innenräumen verbringen, davon fast 70 Prozent zu Hause. In letzter Zeit hat sich der Aufenthalt in geschlossenen Räumen aufgrund der weltweiten Pandemie dramatisch erhöht. Diese Isolierung kann zwar die Ausbreitung von Viren verhindern, aber eine schlechte Luftqualität in kann andere schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben. Jüngste Studien deuten darauf hin, dass bis zu 15 Prozent der COVID-19-bedingten Todesfälle auf eine schlechte Luftqualität in Wohnräumen zurückgeführt werden könnten. Schlechte Luftqualität in Innenräumen zusammen mit einer biologischen Kontamination und Feuchtigkeit würde das Risiko von Atemwegserkrankungen um 50 Prozent erhöhen. In einer systematischen Überprüfung und Metaanalyse aus dem Jahr 2020 wurde festgestellt, dass im Jahr 2017 die Luftverschmutzung in Haushalten weltweit mit 1,8 Millionen Todesfällen und mehr als 60 Millionen reduzierten Lebensjahren in Verbindung gebracht wurde. Der Großteil der mit der Luftverschmutzung in Haushalten verbundenen Belastung ist in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen zu verzeichnen (1). Allein in Europa verkürzt die Belastung durch Feinstaub (PM) die Lebenserwartung eines jeden Menschen um durchschnittlich fast ein Jahr, vor allem aufgrund des erhöhten Risikos von Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen, neurologischen Störungen und Lungenkrebs.
Obwohl schlechte Innenraumluft ein großes Gesundheitsrisiko darstellt, wirkt sie sich auf die Menschen unterschiedlich aus und bestimmte Bevölkerungsgruppen sind besonders gefährdet: Kinder, ältere Menschen und Menschen mit Atemwegserkrankungen reagieren empfindlicher auf diese Umweltrisiken als die Allgemeinbevölkerung. Die Luftqualität in Innenräumen wird von verschiedenen Faktoren und Prozessen bestimmt, wie z. B. dem Verschmutzungsgrad im Freien, dem Schadstofftransport zwischen Innenräumen und Außenbereichen, Innenraum-Emissionen, chemischen Reaktionen von Gasen auf Partikeln und Oberflächen, dynamischen Prozessen (z. B. Resuspension, Ablagerung, Verdunstung, Wachstum, Koagulation usw.) und Belüftung/ Innenraumluftfilterung (2). Verunreinigungen aus dem Freien können z.B. durch undichte Türen und Fenster in die Innenräume gelangen. Die Chemie der Innenraumluft ist ein weiterer Prozess, der wesentlich zur Luftqualität in Innenräumen beiträgt. Trotz umfangreicher Forschungsarbeiten zur Luftqualität in Innenräumen in der Vergangenheit es gibt immer noch Wissenslücken bei den Verschmutzungsquellen, den Beziehungen zwischen Innen- und Außenluft und der Belüftung/Filtration. Nur wenige Studien haben bisher ultrafeine, schwarzen Rußpartikel, Submikronpartikel und Allergene in Bezug auf empfindliche Gruppen (z. B. Kinder, Schwangere) mit hoher Zeitauflösung gemessen. Dazu kommt, dass die Lüftungsraten und Ablagerungsgeschwindigkeiten zwischen den verschiedenen Wohngebäuden und Versuchszeiträumen (z. B. Sommer und Winter) stark variieren (bis zu 30 % vom Durchschnitt). Unterschiede in den Lüftungsgewohnheiten der Bewohner, unterschiedliche Materialoberflächen, meteorologische Bedingungen usw. führen dazu, dass stationäre und statische Untersuchungen der Innenraumluftqualität nur begrenzt brauchbare Ergebnisse liefern (3). Es mangelt an repräsentativen Daten zur Exposition mit Partikeln, Gasen und Allergen in Wohngebäuden sowie an Risikobewertungen und Rechtsvorschriften zur langfristigen Innenraumluftqualität für verschiedene Arten von Innenräumen in Europa.
Eine Analyse der bestehenden Leitlinien für die Luftqualität in Innenräumen in den EU-Mitgliedstaaten ergab, dass die Referenzwerte für Innenraumschadstoffe in Europa erheblich voneinander abweichen. Solche Unterschiede können zu sozialer Polarisierung und unterschiedlichen Lebensbedingungen führen (4). Um ein Ungleichgewicht zu vermeiden und die am meisten gefährdeten Personen zu schützen, ist es wichtig, Leitlinien für die Überwachung der Luftqualität in Innenräumen festzulegen und langfristige und flächendeckende Messungen durchzuführen, um die wichtigsten Daten zur Luftverschmutzung in Innenräumen zu sammeln. Die gesetzlichen Vorschriften der meisten Länder zur Kontrolle der Luftverschmutzung beziehen sich nach wie vor nur auf Feinstaub der Größenklassen PM10 und PM2,5 (aerodynamischer Partikeldurchmesser < 10 bzw. <2,5 μm). Wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen jedoch die Bedeutung der chemischen Zusammensetzung der kleineren Partikelfraktionen wie PM1 und Ruß. Einige toxikologische Studien deuten darauf hin, dass die Partikelfraktion PM1 in Bezug auf zytotoxische Wirkungen und Entzündungen gefährlicher ist als PM2,5 (5). Darüber hinaus legen wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse über Innen- und Außenluft nahe, dass die Verwendung von PM10-gebundenem Benzo(a)pyren als einziger Marker für die Exposition gegenüber krebserregenden polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK), durch die Einbeziehung anderer gesundheitsrelevanter PAK, gasförmiger PAK (z. B. Naphthalin) und kleinerer PM-Fraktionen ergänzt werden muss (6). Besondere Aufmerksamkeit muss auch dem besseren Verständnis der Exposition gegenüber anderen und neuartigen Verbindungen gewidmet werden, die in den Verordnungen noch nicht aufgeführt sind, die aber als gefährlich für die menschliche Gesundheit gelten. So ist beispielsweise bekannt, dass die Exposition gegenüber ultrafeinen Partikeln und schwarzem Kohlenstoff aufgrund ihrer geringen Größe (Fähigkeit, die Luft-Blut-Schranke in den Atemwegen zu durchdringen) und ihrer chemischen Zusammensetzung besonders negative Auswirkungen auf die Gesundheit hat. Die Bestimmung der Größenverteilung von partikelgebundenen krebserregenden Verbindungen, die Depositionsdosis von Ruß und ultrafeinen Partikeln sowie der physikalisch-chemischen Eigenschaften einiger neu aufkommender Schadstoffe wie Mikroplastik und Weichmacher (7,8,9) würde es ermöglichen, die Depositionsdosis von Schadstoffen in den Atemwegen abzuschätzen und so eine viel genauere Bewertung der Gesundheitsrisiken vorzunehmen.
Im Rahmen des Projekts EDIAQI werden mehrere Szenarien der Innenraum-Expositionsszenarien für Standardluftschadstoffe und für neue Schadstoffe/Verunreinigungen untersucht. Als Untersuchungsgebiet wurden Wohngebiete (Häuser und öffentliche Büros) und Freizeiteinrichtungen (z. B. Kinos, Theater, Restaurants), Krankenhäuser und Schulen in ganz Europa ausgewählt. Die Unterschiede zwischen den Teilpopulationen werden in unterschiedlichen Expositionskonzentrationen und Atemwegsdepositionsdosen von Schadstoffen untersucht. Für die Quantifizierung der Schadstoffe in der Innenraumluft werden die neuesten Aerosol-Instrumente zusammen mit den neuesten innovativen und technologisch fortschrittlichen kostengünstigen Sensoren eingesetzt. Letztere werden gründlich validiert und kalibriert, um die definierte Genauigkeit und Präzision der Referenzinstrumente zu erreichen.
Eine einheitliche, groß angelegte und langfristige Strategie zur Überwachung der Luftverschmutzung in Innenräumen, die transdisziplinäre Forschungsansätze, Big Data, Interoperabilität und das Internet der Dinge umfasst, würde Folgendes ermöglichen:
a) Wissenschaftlern ein besseres Verständnis der Schadstoffbelastung in Innenräumen und der damit verbundenen gesundheitlichen Auswirkungen zu ermöglichen;
b) wissenschaftlich fundierte
wissenschaftlich fundierte Informationen für gesetzgebende Gremien zu liefern, um Richtlinien für die Luftqualität in Innenräumen festzulegen, und
c) Strategien für nachhaltige, wissenschaftlich fundierte technologische Innovationen zur Verbesserung der Luftqualität in Innenräumen auszuarbeiten.
Referenzen:
(1) K. K. Lee et al., Lancet Glob. Heal. 8, e1427–e1434 (2020). DOI: https://doi.org/10.1016/S2214-109X(20)30343-0
(2) C. He, L. Morawska, D. Gilbert, Atmos. Environ. 39, 3891–3899 (2005). DOI: 10.1016/j.atmosenv.2005.03.016
(3) C. C. Halios, C. G. Helmis, K. Eleftheriadis, H. A. Flocas, V. D. Assimakopoulos, Water. Air. Soil Pollut. 204, 333–350 (2009). DOI: 10.1007/s11270-009-0048-2
(4) G. Settimo, M. Manigrasso, P. Avino, Atmosphere (Basel). 11 (2020). DOI: 10.3390/atmos11040370.
(5) P. I. Jalava et al., Atmos. Environ. 120, 427–437 (2015). DOI: 10.1016/j.atmosenv.2015.08.089
(6) M. Oliveira, K. Slezakova, C. Delerue-Matos, M. C. Pereira,. Morais, Environ. Int. 124, 180–204 (2019). DOI: 10.1016/j.envint.2018.12.052
(7) J. Gasperi et al., Curr. Opin. Environ. Sci. Heal. 1, 1–5 (2018). DOI: 10.1016/j.coesh.2017.10.002
(8) R. Dris et al., Environ. Pollut. 221, 453–458 (2017). DOI: 10.1016/j.envpol.2016.12.013
(9) Z. Q et al., Environ. Sci. Technol. 54, 6530–6539 (2020). DOI: 10.1021/acs.est.0c00087
Partnerliste:
1 The Lisbon Council (Koordination) LC (BE) > https://lisboncouncil.net/
2 Know-Center KNOW (AT) > https://www.know-center.at/
3 Institute for Medical Research and Occupational Health IMROH (HR) > https://www.imi.hr/en/
4 Ascalia Ltd. ASC (UK) > https://ascalia.io/
5 WINGS ICT Solutions WINGS (GR) > https://www.wings-ict-solutions.eu/
6 REGION HOVEDSTADEN REGIONH (DK) > https://www.regionh.dk/
7 Leibniz-Institut für Troposphärenforschung TROPOS (DE) > https://www.tropos.de/
8 Institute for Anthropological Research ANT (HR) > https://inantro.hr/en/homepage-eng/
9 Technische Universitaet Graz TUG (AT) > https://www.tugraz.at/home
10 University of Molise UMOL (IT) > https://www.unimol.it/english/
11 Universidad de Sevilla USEV (ES) > https://www.us.es/
12 Thinnect THIN (EE) > https://thinnect.com/
13 Srebrnjak Children's Hospital SCH (HR) > https://www.bolnica-srebrnjak.hr/index.php/en/
14 Dedagroup Public Services DEDA (IT) > https://www.deda.group/deda/markets/public-services
15 Tallinn University of Technology TalTech (EE) > https://taltech.ee/en
16 Lab Service Analytica LAS (IT) > https://www.labservice.it/
17 State research institute Center for Physical Sciences and Technology FTMC (LT) > https://www.ftmc.lt/en
18 National Institute of Biology NIB (SI) > https://www.nib.si/eng/
Projektlaufzeit: 01.12.2022 - 01.12.2026
Gefördert durch: EU-Kommission Grant Nr-101057497-EDIAQI
Kontakte:
Prof. Mira Pöhlker
Leiterin der Abteilung Atmosphärenmikrophysik, Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS), Leipzig
Tel. +49-341-2717-7445
https://www.tropos.de/institut/ueber-uns/mitarbeitende/mira-poehlker
und
Leizel Madueno
Abteilung Atmosphäremikrophysik, Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS), Leipzig
Tel. +49 341 2717-7395
https://www.tropos.de/institut/ueber-uns/mitarbeitende/leizel-madueno
und
Dr. Liina Tõnisson,
Wissenschaftliche Koordinatorin/Technologietransfer, Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS)
Tel. +49 341 2717-7383
https://www.tropos.de/institut/ueber-uns/mitarbeitende/liina-tonisson
Weitere Informationen und Links:
TAME-BC - Saubere Luft für eine nachhaltige Zukunft: Ein transdisziplinärer Forschungsansatz zur Reduzierung von Rußemissionen (BC) im Großraum Manila, Philippinen
https://www.tropos.de/forschung/grossprojekte-infrastruktur-technologie/wissenstransfer-tame-bc
Belastung durch Ultrafeinstaub in deutschen Wohnungen hängt vor allem von den Menschen selber ab (Pressemitteilung, 19.05.2020)
https://www.tropos.de/aktuelles/pressemitteilungen/details/belastung-durch-ultrafeinstaub-in-deutschen-wohnungen-haengt-vor-allem-von-den-menschen-selber-ab
Publikationen:
Madueño, L., Kecorius, S., Löndahl, J., Schnelle‑Kreis, J., Wiedensohler, A., Pöhlker, M.: A novel in-situ method to determine the respiratory tract deposition of carbonaceous particles reveals dangers of public commuting in highly polluted megacity. Part. Fibre Toxicol., 2022, 19, 61. (Published: 15 September 2022). https://doi.org/10.1186/s12989-022-00501-x
Tõnisson, L.; Voigtländer, J.; Weger, M.; Assmann, D.; Käthner, R.; Heinold, B.; Macke, A. Knowledge Transfer with Citizen Science: Luft-Leipzig Case Study. Sustainability 2021, 13, 7855. https://doi.org/10.3390/su13147855
Tõnisson, L.; Kunz, Y.; Kecorius, S.; Madueño, L.; Tamayo, E.G.; Casanova, D.M.; Zhao, Q.; Schikowski, T.; Hornidge, A.-K.; Wiedensohler, A.; Macke, A. From Transfer to Knowledge Co-Production: A Transdisciplinary Research Approach to Reduce Black Carbon Emissions in Metro Manila, Philippines. Sustainability 2020, 12, 10043. https://doi.org/10.3390/su122310043
Madueño L., Kecorius S., Löndahl J., Müller T., Pfeifer S., Haudek A., Mordoñez, V., Wiedensohler, A.: A new method to measure real‐world respiratory tract deposition of inhaled ambient black carbon. Environ Pollut. 2019;248:295–303. https://doi.org/10.1016/j.envpol.2019.02.021