Wie viel Kohlenstoff entweicht aus dem Ozean?

Leipzig, 01.06.2011

Leipziger Forscher untersuchen Austauschprozesse und Wolkenbildung auf dem Atlantik

Bremerhaven/ Leipzig. Die Rückreise des Forschungsschiffes Polarstern von der jüngsten Antarktisexpedition haben Leipziger Wissenschaftler genutzt, um Untersuchungen zur Wolkenbildung über dem Atlantik und zu den chemischen Prozessen am Übergang vom Oberflächenwasser der Ozeane in die Atmosphäre durchzuführen. Während der Fahrt von Kapstadt nach Bremerhaven im April/Mai 2011 wurde gleichzeitig die chemische Zusammensetzung des Meeresoberflächenwassers, des ozeanischen Oberflächenfilms und der daraus entstandenen Aerosolpartikel gemessen und chemisch charakterisiert. Die Forscher wollen so unter anderem herausfinden, wie genau und in welcher Form organischer Kohlenstoff aus dem Meerwasser in die Atmosphäre gelangt sowie welche Auswirkungen dies auf die Wolkenbildung und die Vorhersagen von Klimamodellen hat. Diese Erkenntnisse sind von großer Bedeutung für die Klimaforschung, da 70 Prozent der Erdoberfläche mit Meerwasser bedeckt, die Austauschprozesse zwischen Wasser und Atmosphäre aber noch nicht vollständig verstanden sind.

 

Wenn im Zusammenhang mit dem Klimawandel vom Ozean die Rede ist, dann wird meist diskutiert, wie viel Kohlendioxid der Ozean noch aus der Atmosphäre aufnehmen kann. Aufgrund der großen Wassermengen spielen die Weltmeere eine wichtige Rolle im globalen Kohlenstoffkreislauf. Der Ozean nimmt jedoch nicht nur atmosphärischen Kohlenstoff auf, er gibt auch Kohlenstoff an die Atmosphäre ab. Oft handelt es sich um organisches Material aus der Bioproduktion von Algen. Die gebildeten organischen Verbindungen können sich aufgrund ihrer Eigenschaften an der Phasengrenze Wasser-Luft ansammeln oder gelöst in der Wassersäule vorliegen. Reichert sich das Material an der Meeresoberfläche an, kommt es zur Ausbildung einer nur wenige Mikrometer dicken Filmschicht. Man vermutet, dass durch verschiedene Prozesse das organische Material aus der Wasserphase in die Aerosolpartikel gelangt. So werden durch Windbewegungen auf der Meeresoberfläche Wellen gebildet. Durch das Brechen der Wellen werden Luftblasen in das Meerwasser eingebracht. Die Luftblasen durchwandern die Wassersäule und sammeln auf ihren Weg zur Oberfläche das organische Material ein. An der Oberfläche angekommen zuplatzen die Blasen und das Material wird in die Luft geschleudert. “In der Fachsprache wird dieser Effekt Bubble-Burstig genannt”, erklärt Dr. Conny Müller vom IfT. “Diese winzigen Tröpfchen trocknen zu kleinen Partikeln ein und können später die Kondensationskeime für Wolken bilden. Wir haben daher Proben vom Oberflächenfilm, aus dem Meereswasser in zwei Metern Tiefe und von den Aerosolpartikeln aus der Luft gesammelt. Im Labor wollen wir nun in den nächsten Monaten analysieren, welche organischen Kohlenstoffverbindungen aus dem Meerwasser in die Atmosphäre gelangen.” Die Messungen auf Polarstern reihen sich ein in eine Serie von Experimenten. So wird die chemische Zusammensetzung des Meerwassers, des Oberflächenfilms und der Luftpartikel auch vor den Kapverdischen Inseln und vor Norwegen im Rahmen des Forschungsprojektes SOPRAN (Surface Ocean Processes in the Anthropocene) untersucht. “Letztendlich geht es darum, mehr darüber zu erfahren, welche Austauschprozesse zwischen Wasser und Luft ablaufen. Die Abgabe von Kohlenstoff aus dem Meer könnte ein stark unterschätzter Weg des Kohlenstoffs in die Atmosphäre sein”, so Prof. Hartmut Herrmann über die Bedeutung dieser Experimente.

 

Die chemischen Messungen wurden begleitet durch eine umfassende physikalische Charakterisierung der in der marine Atmosphare vorhandenen Aerosolpartikel. Von besonderem Interesse hierbei waren die Partikelgrößenverteilung und die Bestimmung der Anzahl der Partikel, aus denen Wolkentropfen gebildet werden. Die IfT-Untersuchungen wurden in enger Zusammenarbeit zwischen der Abteilung der Chemie und den Arbeitsgruppen "Troposphärisches Aerosol" und "Wolken" durchgeführt. “Neu an den Messungen auf dieser Polarsternfahrt war, dass wir mit einer Vielzahl an Geräten eine komplette Charakterisierung der Luftpartikel vornehmen konnten, die aus partikel- und gasförmigen Emissionen des Meeres stammen. Sind die Partikel einmal größer als 0,1 Mikrometer können diese als Kondensationskeime für Wolken wirken”, ergänzt Prof. Alfred Wiedensohler. Insgesamt waren fünf Mitarbeiter des IfT mit zwei Messcontainern für diese Luftpartikelmessungen auf der Reise der Polarstern durch mehrere Klimazonen nach Bremerhaven dabei. “Besonders hat uns die Wasseraufnahmefähigkeit der Luftpartikel interessiert, die wir zeitlich hoch aufgelöst mit innovativer Messtechnik physikalisch und chemisch bestimmen konnten. Wir erhoffen uns ein besseres Verständnis dieser Wasseraufnahmefähigkeit, die darüber mitentscheidet wie Licht reflektiert wird und wie viele Wolkentropfen sich bilden und somit, welchen Einfluss die Luftpartikel auf das Klima haben.”

 

Dazu waren auch Meteorologen der Universität Leipzig mit an Bord. “Die Fahrt durch verschiedene Wetter- und Klimazonen von Südafrika bis nach Europa bietet uns die Gelegenheit, verschiedene Wolkentypen und Verschmutzungsregimes unter die Lupe zu nehmen”, erläutert Prof. Manfred Wendisch vom Leipziger Institut für Meteorologie an der Universität Leipzig. “Wir wollen so den Einfluss der dreidimensionalen Wolkenstrukturen auf das gekoppelte Energiesystem Erde-Atmosphäre untersuchen.” Dazu haben die Uni-Meteorologen Spezialtechnik für solare Strahlungsmessungen entwickelt, um herausfinden zu können, wie sich unterschiedliche Strukturen von Wolken auf die Verteilung der Sonnenstrahlung im Klimasystem der Erde auswirken. Seit 2009 werden auf der Polarstern mit einem Lidar und einem Mikrowellenradiometer Aerosolpartikel und Wolken in der Troposphäre und deren Einfluss auf die Energiebilanz an der Meeresoberfläche gemessen. Diese langfristig angesetzten Beobachtungen liefern einen entscheidenden Beitrag zur Erforschung der Klimawirkungen von Wolken und Aerosol über den Ozeanen.

 

Schiffsreisen dauern zwar wesentlich länger als ein Flug mit einem Forschungsjet, dafür können die Forscher dabei aber mehr Messtechnik und größere Geräte mitnehmen. Deswegen sind die nächsten Expeditionen schon fest geplant: Die Forscher des IfT und der Universität Leipzig werden im Oktober/November 2011 und im April/Mai 2012 auf der Hin- und Rückreise der nächsten Antarktisexpedition der Polarstern wieder dabei sein. Die IfT-Forscher werden ihre Untersuchungen bereits im Juni/Juli 2011 am Äquator vor Afrika von Bord des Forschungsschiffes Maria S. Merian und im Oktober/November 2011 auf der Fahrt der Polarstern von Bremerhaven nach Kapstadt fortsetzen. Zuvor ist bei den Forschern in den nächsten Wochen jedoch Auswertearbeit angesagt. Sämtliche Proben müssen im Labor untersucht sowie eine Vielzahl an Messungen analysiert und veröffentlicht werden.

 

Mit diesem Projekt wird die erfolgreiche Kooperation zwischen dem Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (IfT) und dem Leipziger Institut für Meteorologie (LIM) an der hiesigen Universität fortgesetzt. Zuletzt hatten beide Institute bei der Untersuchung von Passatwolken in der Karibik zusammengearbeitet.

 

Links:

Die Expedition ANT-XXVII/4 der Polarstern: http://www.awi.de/de/infrastruktur/schiffe/polarstern/wochenberichte/alle_expeditionen/ant_xxvii/ant_xxvii4/

Forschungsschiff Maria S. Merian: http://www.ifm.zmaw.de/de/leitstelle-meteormerian/reisen-des-fs-maria-s-merian/

SOPRAN - Surface Ocean Processes in the Anthropocene: http://sopran.pangaea.de/

 

Weitere Infos:

Prof. Dr. Andreas Macke/ Prof. Dr. Hartmut Herrmann / Prof. Dr. Alfred Wiedensohler / Dr. Frank Stratmann

Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (IfT)

Tel. 0341-235-2446, -2467, -2862

http://www.tropos.de/ift_personal.html

Prof. Dr. Manfred Wendisch

Leipziger Institut für Meteorologie an der Universität Leipzig

Tel. 0341-97-32851

www.uni-leipzig.de/~meteo/de/index.php 

 

 

 

Nachwuchswissenschaftler des IfT und der Universität Leipzig auf ihrem Messcontainer an Bord der Polarstern.
Ziel der Messungen war eine umfassende physikalische Charakterisierung der in der marinen Atmosphare vorhandenen Aerosolpartikel. Von besonderem Interesse hierbei waren die Partikelgrößenverteilung und die Bestimmung der Anzahl der Partikel, aus denen Wolkentropfen gebildet werden.
Foto: Marlen Brückner/Universität Leipzig

Proben vom chemischen Zusammensetzung des Oberflächenfilm auf dem Ozean nahmen die Wissenschaftler von einem kleinen Schlachboot aus, um eine Verfälschung der Messungen durch das große Forschungsschiff zu vermeiden.
Foto: Saad El Naggar/AWI