Viel stärker als der Pinatubo

Leipzig/Wien, 11.04.2018

Waldbrände in Kanada sorgen für stärkste jemals gemessene Trübung der Stratosphäre über Europa

 

 

Wien/Leipzig. Waldbrände können die Sonneneinstrahlung in der oberen Atmosphäre noch stärker trüben als Vulkanausbrüche. So haben die Waldbrände in Kanada im September 2017 das Sonnenlicht viel stärker als beim Ausbruch des Vulkanes Pinatubo 1991 über Europa abgeschwächt. Das geht aus Messungen hervor, die ein Team vom Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) am Mittwoch auf der Jahrestagung der European Geosciences Union (EGU-2018) vorgestellt hat. Der neue Rekordwert zeigt, dass auch große Waldbrände die Sonneneinstrahlung auf anderen Kontinenten stark reduzieren können und mit der Klimaerwärmung wahrscheinlich an Bedeutung gewinnen werden.

Der Ausbruch des Pinatubos galt bisher als größtes Einzelereignis der letzten Jahrzehnte mit Wirkung auf das globale Klima. Beim Ausbruch des Vulkanes waren damals große Mengen an Gasen und Partikeln in die obere Atmosphäre geschleudert worden, die sich dort rund um den Globus verbreiteten und über Monate das Sonnenlicht trübten. Dadurch sank die Durchschnittstemperatur weltweit um rund ein halbes Grad. Die Auswirkungen großer Waldbrände auf das Klima wurde bisher offenbar unterschätzt, da lange angenommen wurde, dass der Rauch nicht weit genug aufsteigt, um sich über die Stratosphäre weltweit ausbreiten zu können. Die Rekordwaldbrände in Kanada und verbesserte Methoden zur Fernerkundung der Atmosphäre haben jetzt dafür gesorgt, dass dieser Zusammenhang deutlicher wurde.

 

 

Der vergangene ungewöhnlich trockene Sommer sorgte im Nordwesten Kanadas dafür, dass große Feuer entstanden und die Wälder zum Teil wochenlang brannten. 2017 war in der Provinz British Columbia die verheerendste Waldbrandsaison seit Beginn der Aufzeichnungen. Insgesamt brannten dabei über 900.000 Hektar Wald. Die große Menge an Holz, die dabei in Flammen aufging, sorgte für extreme Hitze und starke Aufwinde. Dabei kam es zu Feuerwolken (Pyrocumulus), die wie bei Gewitterwolken bis in große Höhen reichen und wie ein Staubsauger Material von den unteren Schichten der Atmosphäre nach oben saugen. „Die Staubpartikel aus dem Rauch der Waldbrände werden dabei praktisch gefriergetrocknet, weil die Atmosphäre oben sehr trocken und kalt ist“, erklärt Dr. Albert Ansmann vom TROPOS. Material, das es über die Tropopause, die Grenzschicht zwischen Troposphäre und Stratosphäre in rund zehn Kilometern Höhe, schafft, wird nicht mehr vom Regen ausgewaschen. Die Partikel können dort mit den Strömungen quer über den Globus transportiert werden. Deshalb ist zum Beispiel bei Vulkanausbrüchen entscheidend, wie hoch Gas und Staub geschleudert werden. Material, das unter der Tropopausen-Grenzschicht bleibt, verschwindet schnell wieder aus der Atmosphäre und beeinflusst das Klima nur regional. Material, das bis in die darüber gelegene Stratosphäre gelangt, kann sich dort wochen- und monatelang halten und das Klima global beeinflussen. Einerseits dämpfen die Teilchen die Einstrahlung des Sonnenlichts, anderseits tragen sie bei zur Bildung von hohen Eiswolken, den so genannten Zirren.

 

Nachdem der Rauch der Waldbrände im Nordwesten Kanadas in die Stratosphäre gelangt war, bewegte er sich ostwärts nach Europa und Nordasien und verteilte sich innerhalb von 20 Tagen über die nördliche Hemisphäre. Das Fernerkundungsteam vom TROPOS konnte mit Hilfe von Lichtradaren (Lidar) per Laser den Rauch über Leipzig messen. Mehrere Tage lang war eine Rauchschicht wahrnehmbar, die ihr Maximum am 22. August in 14 bis 16 Kilometern Höhe erreichte. Diese zwei Kilometer dicke Schicht schluckte rund die Hälfte des Sonnenlichts. Die Dämpfung des Lichts war dabei in Leipzig rund 20-mal stärker als beim Ausbruch des philippinischen Vulkans Pinatubo, der 1991/1992 das Klima weltweit um rund zwei Grad abkühlte. Durch Messungen der Sonnenstrahlung und der Analyse des zurückgestreuten Laserlichts von mehreren Lidar-Messgeräten konnten Größe und Konzentration an Partikeln bestimmt werden: In der Spitze erreichten die 0,3 Mikrometer großen Partikel in der Rauchfahne eine Konzentration von rund 100 Mikrogramm pro Kubikmeter. Das würde am Boden einer Überschreitung des PM10-Grenzwertes für Feinstaub um das Doppelte des gesetzlich erlaubten Tageswertes entsprechen und ist in diesen Luftschichten ungewöhnlich hoch, da in der Stratosphäre normalerweise kaum Partikel vorkommen. „Seit rund einem Viertel Jahrhundert untersuchen wir die Atmosphäre mit Lasern. Aber nie zuvor haben wir eine derart starke und langanhaltende Rauchfahne in der Stratosphäre über Leipzig gemessen“, berichtet Dr. Holger Baars vom TROPOS. Auf die Luftqualität am Boden hatte die Rauchfahne aus Kanada jedoch keinen Einfluss. Sie zog getrennt durch die Tropopausen-Grenzschicht in großer Höhe über Leipzig hinweg. Aber sie schwächte das Sonnenlicht in diesen Tagen deutlich ab – vergleichbar mit dem Saharastaub der z.B. Anfang April 2018 bis in den Südwesten Deutschlands zog. Der Abschattungseffekt der Rauchschicht aus Kanada nahm im Laufe der Zeit ab. Bis Ende Januar 2018 konnte das Lidar-Team vom TROPOS die Partikel in der Stratosphäre noch nachweisen.

 

Bereits 2011 hatten Ökologen aus Leipzig bereits davor gewarnt, dass es bei Waldbränden ebenso wie bei Epidemien Schwellenwerte gibt. Große Gebiete Kanadas bewegen sich offenbar auf diesen Schwellenwert zu und könnten diesen künftig durch den Klimawandel überschreiten. Die Folge sei, dass sowohl die jährlich abgebrannten Flächen als auch die durchschnittliche Größe der Feuer steigen. Große Waldbrände auf anderen Kontinenten beeinflussen so das Klima offenbar stärker als bisher gedacht. Der Effekt könnte durch den Klimawandel zunehmen, wenn extremere Temperaturen für mehr und stärkere Waldbrände sorgen und dadurch mehr Partikel als früher in die oberen Schichten der Atmosphäre gelangen.

 

Zu den neuen Erkenntnissen haben verschiedenste Messungen quer über Europa beigetragen, die aus einzelnen Puzzlestücken ein Gesamtbild zusammen setzen: Sonnenphotometer des AERONET-Netzwerkes am TROPOS in Leipzig und des Deutschen Wetterdienstes (DWD) in Lindenberg bei Berlin maßen die Sonneneinstrahlung. Satellitenaufnahmen der NASA halfen, die Rauchquellen zu identifizieren und die Ausbreitung nachzuvollziehen. Lasermessungen des TROPOS in Leipzig und Kosetice bei Prag ermöglichten, die Rauchschicht detailliert zu analysieren.  Registriert wurde die Rauchfahne aber auch von anderen Lidargeräten des europäischen Netzwerkes PollyNET und EARLINET, das mit Laserstrahlen die Atmosphäre vom Boden aus erforscht. Es ist Teil der Europäischen Forschungsinfrastruktur ACTRIS, die Aerosole, Wolken und Spurengase untersucht. PollyNET wird vom Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) in Leipzig koordiniert.

 

„Der Nachweis und die Analyse des Waldbrand-Rauches aus Kanada unterstreicht die Bedeutung von Leipzig für die weltweite Atmosphärenforschung und es zeigt, wie wichtig die Europäische Forschungsinfrastruktur ACTRIS zur Untersuchung von Aerosolen, Wolken und Spurengasen ist. Ohne das über Jahrzehnte entwickelte Knowhow und eine intensive Kooperation zwischen verschiedenen Partner in Europa wären diese neuen Erkenntnisse nicht möglich gewesen“, betont Prof. Andreas Macke, Direktor des TROPOS und Leiter der Abteilung "Fernerkundung Atmosphärischer Prozesse". ACTRIS widmet sich insbesondere den kurzlebigen und hoch variablen Bestandteilen der Atmosphäre und betreibt dafür etwa 70 Messstationen, hauptsächlich in Europa aber auch weltweit.  Mit den gewonnenen Daten bietet ACTRIS Unterstützung für gesellschaftliche Herausforderungen wie die Verbesserung der Luftqualität und das Verständnis des Klimawandels. Tilo Arnhold

 

 

 

Publikation:


Ansmann, A., Baars, H., Chudnovsky, A., Haarig, M., Veselovskii, I., Mattis, I., Seifert, P., Engelmann, R., and Wandinger, U.: Extreme levels of Canadian wildfire smoke in the stratosphere over central Europe – Part 1: AERONET, MODIS and lidar observations, Atmos. Chem. Phys. Discuss., https://doi.org/10.5194/acp-2018-357 , in review, 2018.

 

Haarig, M., Ansmann, A., Baars, H., Jimenez, C., Veselovskii, I., Engelmann, R., and Althausen, D.: Extreme levels of Canadian wildfire smoke in the stratosphere over central Europe – Part 2: Lidar study of depolarization and lidar ratios at 355, 532, and 1064 nm and of microphysical properties, Atmos. Chem. Phys. Discuss., https://doi.org/10.5194/acp-2018-358 , in review, 2018.

 

Die Untersuchungen wurden gefördert von der EU über das Forschungsprogramm Horizont 2020 (ACTRIS) und der Russischen Forschungsgemeinschaft (RSF).

 

 

EGU-2018:

 

Moritz Haarig, Holger Baars, Albert Ansmann, Ronny Engelmann, Cristofer Jimenez, Ulla Wandinger, and Dietrich Althausen (2018): Canadian wildfire smoke over central Europe: Optical characterization by means of tropospheric and stratospheric depolarization and lidar ratios at 355, 532, and 1064 nm. European Geosciences Union General Assembly 2018, Vol. 20, EGU2018-4626, 11 April 2018.

https://meetingorganizer.copernicus.org/EGU2018/EGU2018-4626.pdf

 

EGU-Session „Unprecedented Wildfires and Smoke Plumes – 2017 and Beyond“

AS3.4/BG4.10/NH7.4

Wed, 11 Apr, 15:30–17:00 / Room 0.94

https://meetingorganizer.copernicus.org/EGU2018/session/27829

 

Hinweis für Journalisten:

 

Zum Thema Waldbrände hat die EGU in Wien auch eine Pressekonferenz veranstaltet am Mittwoch, 11. April, 12:15–13:15 Uhr:

SHAPE OF THINGS TO COME? THE 2017 WILDFIRE SEASON

https://idw-online.de/en/news?id=690273

http://client.cntv.at/egu2018/pc5

 

 

Links:

 

Rauch von kanadischen Waldbränden bis nach Europa transportiert. ACTRIS-Netzwerk misst Rauchpartikel und Staub quer über den europäischen Kontinent. (Pressemitteilung vom 24.08.2017)

https://www.tropos.de/aktuelles/pressemitteilungen/details/rauch-von-kanadischen-waldbraenden-bis-nach-europa-transportiert/

 

Lidar-Netzwerk PollyNet

http://polly.rsd.tropos.de/

 

ACTRIS - the European Research Infrastructure for the observation of Aerosol, Clouds, and Trace gases:

https://www.actris.eu/

Canadian Wildland Fire Information System -  Interactive map:

cwfis.cfs.nrcan.gc.ca/interactive-map

NASA-Satellitendaten:

https://earthdata.nasa.gov/earth-observation-data/near-real-time/firms/active-fire-data

& https://www.nasa.gov/mission_pages/fires/main/index.html

 

Vulkanausbrüche bremsen Klimawandel
http://www.tropos.de/aktuelles/pressemitteilungen/details/vulkanausbrueche-bremsen-klimawandel/

Sprunghafte Zunahme von Waldbränden in weiten Teilen Kanadas?

https://www.ufz.de/index.php?de=35482

 

„Wolken verstehen“ - Leipzig als Zentrum der Wolkenforschung

https://www.tropos.de/entdecken/gut-zu-wissen/wolken-verstehen/

 

 

Weitere Infos:

 

Dr. Albert Ansmann/ Dr. Holger Baars/ Dr. Ronny Engelmann/ Cristofer Jimenez/ Dr. Ulla Wandinger

TROPOS-Abteilung Abteilung „Fernerkundung atmosphärischer Prozesse“

Tel. +49-341-2717-7064, -7414, -7315, -7331, -7082

https://www.tropos.de/institut/ueber-uns/mitarbeitende/albert-ansmann/

https://www.tropos.de/institut/ueber-uns/mitarbeitende/holger-baars/

https://www.tropos.de/institut/ueber-uns/mitarbeitende/ronny-engelmann/

https://www.tropos.de/institut/ueber-uns/mitarbeitende/cristofer-jimenez/

https://www.tropos.de/institut/ueber-uns/mitarbeitende/ulla-wandinger/

und

Prof. Dr. Andreas Macke

Direktor des TROPOS

Tel. +49-341-2717-7060

www.tropos.de/institut/ueber-uns/mitarbeitende/andreas-macke/

oder

Tilo Arnhold

TROPOS-Öffentlichkeitsarbeit

Tel. +49-341-2717-7189

http://www.tropos.de/aktuelles/pressemitteilungen/

 

 

 

 

Das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft, die 93 selbständige Forschungseinrichtungen. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen.

Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit.

Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen - u.a. in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 18.700 Personen, darunter 9.500 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei mehr als 1,8 Milliarden Euro.

http://www.leibniz-gemeinschaft.de

 

TROPOS-Lidar MARTHA in Leipzig. Foto: Tilo Arnhold, TROPOS

TROPOS-Lidar MARTHA in Leipzig.
Foto: Tilo Arnhold, TROPOS

TROPOS-Lidar PolyXT in Leipzig. Foto: Tilo Arnhold, TROPOS

TROPOS-Lidar PolyXT in Leipzig.
Foto: Tilo Arnhold, TROPOS

Lidarmessungen von Staub über Leipzig am 22.08.2017. Die Rauchfahne aus Kanada ist deutlich bei 15km Höhe in der Stratosphäre zu sehen. Quelle. TROPOS

Lidarmessungen von Staub über Leipzig am 22.08.2017. Die Rauchfahne aus Kanada ist deutlich bei 15km Höhe in der Stratosphäre zu sehen. Quelle. TROPOS

Lidarmessungen von Staub über Limassol (Zypern)  2017. Spuren der Rauchfahne aus Kanada sind von September bis Dezember in rund 20 km Höhe in der Stratosphäre zu sehen. Quelle. TROPOS

Lidarmessungen von Staub über Limassol (Zypern) 2017. Spuren der Rauchfahne aus Kanada sind von September bis Dezember in rund 20 km Höhe in der Stratosphäre zu sehen. Quelle. TROPOS

Lidarmessungen von Staub über Limassol (Zypern)  2017/18. Spuren der Rauchfahne aus Kanada sind von September bis Dezember sind in zwischen 16 und 23km Höhe zu sehen. Die Langzeitbeobachtungen zeigen, dass sich die Rauchfahne über Monate in der Stratosphäre hält und dabei langsam weiter nach oben steigt. Quelle. TROPOS

Lidarmessungen von Staub über Limassol (Zypern) 2017/18. Spuren der Rauchfahne aus Kanada sind von September bis Dezember sind in zwischen 16 und 23km Höhe zu sehen. Die Langzeitbeobachtungen zeigen, dass sich die Rauchfahne über Monate in der Stratosphäre hält und dabei langsam weiter nach oben steigt. Quelle. TROPOS