Unbemannte Flugzeuge geben neue Einblicke in das Entstehen von kleinsten Partikeln in der Arktis
Leipzig, 31.05.2018
Wissenschaftler untersuchen Partikelneubildung über Spitzbergen
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Gemeinsame Pressemitteilung der Technischen Universität Braunschweig, des Leibniz-Institutes für Troposphärenforschung Leipzig und der Eberhard-Karls Universität Tübingen
Ny-Ålesund (Spitzbergen). Untersuchungen der Atmosphäre mit unbemannten Mini-Flugzeugen können einen wichtigen Beitrag zur Erforschung der Ursachen des Klimawandels in der Arktis leisten, da sie Einblick in bodennahe Luftschichten geben, die von klassischen Messstationen nicht erfasst werden. Das schlussfolgert ein deutsches Forscherteam aus aktuellen Messungen, die gerade auf Spitzbergen stattfanden. Dabei konnte die Neubildung von Partikeln in der Luft beobachtet werden, die später zu Wolken werden können und Einfluss auf den Klimawandel haben. Weshalb sich die Arktis mehr als doppelt so stark erwärmt wie andere Regionen der Erde, ist im Detail bisher immer noch ungeklärt. Die bis Ende Mai laufende Messkampagne auf Spitzbergen war der erste gemeinsame Einsatz von in Deutschland entwickelten Mini-Forschungsflugzeugen in einer Polarregion.
In den letzten Jahren ist die Arktis mehr und mehr in den Fokus der Klimaforschung gerückt, da sich die bisher beobachteten Klimaänderungen in der Arktis deutlich stärker auswirken als in anderen Regionen. Die Ursachen dafür liegen unter anderem in komplexen Wechselwirkungen zwischen Atmosphäre, Meereis und Ozean und sind schwierig zu quantifizieren und in Modellen abzubilden. Um das Verständnis für die besonderen Prozesse und Wechselwirkungen zu verbessern, muss verstärkt vor Ort gemessen werden. Nur wenige kontinuierlich messende Stationen und mobile Messungen mit Schiffen und Flugzeugen sind als Datenbasis verfügbar und liefern die notwendigen Parameter für Analysen und Modellierung.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Technischen Universität Braunschweig, des Leibniz-Institutes für Troposphärenforschung Leipzig und der Eberhard-Karls Universität Tübingen führten seit Mitte April in Ny-Ålesund auf Spitzbergen, dem nördlichsten Dorf der Welt, Messungen mit unbemannten Flugsystemen durch. Unterstützt wurden sie vom Alfred-Wegener-Institut, dem Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, das auch die Französisch-Deutschen Forschungsbasis AWIPEV in Ny-Ålesund betreibt. In diesem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekt mit dem Namen „Untersuchungen zur kleinskaligen vertikalen und horizontalen Variabilität des atmosphärischen Grenzschichtaerosols mit unbemannten Flugsystemen“ wird vor allem der Zusammenhang zwischen kleinräumigen Luftbewegungen und der Bildung von kleinsten luftgetragenen Aerosolpartikeln untersucht, die sich aus Gasen bilden können. Da diese kleinen Partikel weiter anwachsen können und dann Licht streuen sowie zur Entstehung von Wolken beitragen, spielen sie für das Klima eine große Rolle.
Die ersten Auswertungen haben gezeigt, dass es verschiedene Szenarien gibt, die zur Neubildung von Partikeln in der Atmosphäre führen: entweder findet die Neubildung zeitgleich in allen untersuchten Luftschichten zwischen Boden und 850 Meter Höhe statt oder sie beginnt in einer bestimmten Luftschicht und breitet sich von dort weiter aus. Der zweite Fall kann mit den seit vielen Jahren kontinuierlich betriebenen, festen Messstationen in Ny-Ålesund und dem nahegelegenen Zeppelin-Berg nicht von Beginn an beobachtet werden und ist daher eine wichtige Erkenntnis für alle hier tätigen Forschenden. „Die Messungen mit unbemannten Flugzeugen stellen ein Bindeglied zwischen den Messungen an verschiedenen Stellen in Ny-Ålesund und auf dem angrenzenden Zeppelin-Berg dar und schließen so eine Wissenslücke über die Verteilung und Transportprozesse in der Atmosphäre“, erklärt Dr. Astrid Lampert von der TU Braunschweig, die die Messkampagne koordinierte.
Die Messkampagne war die dritte größere Studie von ALADINA (Application of Light-weight Aircraft for Detecting IN-situ Aerosol), einem unbemannten Flugzeug (Unmanned Aircraft System – UAS) vom Typ „Carolo P360“, das am Institut für Luft- und Raumfahrtsysteme der TU Braunschweig entwickelt wurde. ALADINA ist eine Art Hightech-Modellflugzeug: Es hat eine Flügelspannweite von 3,6 Metern, wiegt 25 Kilogramm und kann bis zu 3 Kilogramm Nutzlast transportieren. Der Akku erlaubt eine Flugzeit von bis zu 40 Minuten und eine Geschwindigkeit von bis zu über 100 Kilometern pro Stunde. Im Einsatz war das Mini-Forschungsflugzeug bereits mehrfach in Deutschland – so unter anderem in der TROPOS-Messstation Melpitz bei Torgau. Die Besonderheit dieses Flugzeugs liegt vor allem in seiner Ausstattung mit Partikelmessgeräten, die am Leibniz-Institut für Troposphärenforschung in Leipzig miniaturisiert wurden. Kommerziell erhältliche Geräte wären zu groß und schwer für diesen Einsatz, daher mussten die Geräte selbst entwickelt bzw. erheblich modifiziert werden.
Außerdem setzte die Universität Tübingen UAS vom Typ MASC (Multi-purpose Airborne Sensor Carrier) im Rahmen der Spitzbergen-Kampagne ein. Diese UAS sind wiederum auf die hochauflösende Messung von atmosphärischer Turbulenz und turbulentem Transport von Energie und Impuls spezialisiert. Die Turbulenz ist ein wichtiger Prozess in der Partikelneubildung. MASC haben in der Arktis eine Flugdauer von anderthalb Stunden und werden in Deutschland auch verstärkt in der Windenergieforschung eingesetzt.
Um die verschiedenen Prozesse, die zur Bildung neuer Partikel führen können zu verstehen, ist eine detaillierte Untersuchung der Messdaten notwendig, die die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler während der nächsten Monate beschäftigen wird.
Kontakte:
Dr. Astrid Lampert (Kampagnenleitung)
Fluggestützte Meteorologie und Messtechnik
Institut für Flugführung
TU Braunschweig
Phone: +49 531 3919 885
www.tu-braunschweig.de/iff
magazin.tu-braunschweig.de/tu-kontakte/astrid-lampert/
Dr. Birgit Wehner
Experimentelle Aerosol- und Wolkenmikrophysik
Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS), Leipzig
Phone: +49 341 2717 7309
www.tropos.de/institut/ueber-uns/mitarbeitende/birgit-wehner/
Prof. Dr. habil. Jens Bange
Eberhard Karls Universität Tübingen
Zentrum für Angewandte Geowissenschaften
Phone: +49 7071 29 74 714
Links:
ALADINA (Application of Ligt-weight Aircraft for Detecting In situ Aerosol)
www.researchinsvalbard.no/project/8763
http://www.geo.uni-tuebingen.de/umphy
https://magazin.tu-braunschweig.de/pi-post/aladina-erforscht-klimahelfer-in-hundert-meter-hoehe/
https://www.tropos.de/aktuelles/messkampagnen/blogs-und-berichte/uav-russ-2014/
https://www.tropos.de/aktuelles/pressemitteilungen/details/unbemannte-flugzeuge-helfen-feinstaub-zu-untersuchen/
AWIPEV Base: French - German Arctic Research Base at Ny-Ålesund / Spitsbergen
http://www.awipev.eu/
DFG-Sonderforschungsbereich zu “Arktischen Klimaveränderungen”
http://www.ac3-tr.de/
Publikationen:
Altstädter, B., Platis, A., Jähn, M., Baars, H., Lückerath, J., Held, A., Lampert, A., Bange, J., Hermann, M., and Wehner, B.: Airborne observations of newly formed boundary layer aerosol particles under cloudy conditions, Atmos. Chem. Phys. Discuss., https://doi.org/10.5194/acp-2017-1133 , in review, 2018.
The work is funded by the German Research Foundation (DFG) under the project numbers LA 2907/5-1, WI 1449/22-1, BA 1988/14-1 and LA 2907/5-2, WI 1449/22-2, BA 1988/14-2.
Platis A., Altstädter B., Wehner B., Wildmann N., Lampert A., Hermann M., Birmilli W., and Bange J. (2016): An observational case study on the influence of atmospheric boundary-layer dynamics on new particle formation. Boundary-Layer Meteorol., 158, 67–92. http://www.dx.doi.org/10.1007/s10546-015-0084-y
Altstädter, B., Platis, A., Wehner, B., Scholtz, A., Wildmann, N., Hermann, M., Käthner, R., Baars, H., Bange, J., and Lampert, A. (2015): ALADINA – an unmanned research aircraft for observing vertical and horizontal distributions of ultrafine particles within the atmospheric boundary layer, Atmos. Meas. Tech., 8, 1627-1639, https://doi.org/10.5194/amt-8-1627-2015
Wildmann N., Hofsäß M., Weimer F., Joos A., and Bange J. (2014): MASC - A small Remotely Piloted Aircraft (RPA) for Wind Energy Research. Advances in Science and Research, 11, 55–61. https://doi.org/10.5194/asr-11-55-2014