Ruß aus dem Verkehr der Megacities trägt zur Klimaerwärmung bei
Leipzig, 13.12.2018
Reduktion der Verkehrsemissionen in den Schwellenländern würde Gesundheit und Klima nutzen
La Paz/Leipzig. Ruß aus dem Straßenverkehr der Schwellenländer kann bis in hohe Luftschichten gelangen, dort über große Entfernungen transportiert werden und so zur Klimaerwärmung beitragen. Das schlussfolgert ein internationales Forscherteam aus Untersuchungen in der bolivianischen Hauptstadt La Paz und dem benachbarten Höhenobservatorium Chacaltaya. Die Reduktion von Schadstoffen aus dem Straßenverkehr wie Ruß-Partikel von Dieselautos sollte daher hohe Priorität haben, um sowohl die Gesundheit der Bevölkerung in den wachsenden Metropolen der Schwellenländer zu schützen als auch die globale Erwärmung einzudämmen, schreibt das Team im Fachblatt Atmospheric Environment.
Vom 3. bis 14. Dezember findet im polnischen Katowice die UN-Klimakonferenz (COP 24) statt, auf der die Vertragsstaaten Maßnahmen zum Klimaschutz beraten und über die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens verhandeln. IASS Potsdam, FZ Jülich und TROPOS haben dabei auf einem Forum im EU-Pavillon diskutiert, wie die Reduzierung der Luftverschmutzung zum Gesundheits- und Klimaschutz beitragen kann.
Rußpartikel aus Verbrennungsprozessen tragen deutlich zur Luftverschmutzung bei, weil sie Schwermetalle und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe enthalten, die toxisch sind. Eine Reduktion der Rußpartikel durch Fahrverbote für alte Diesel-Fahrzeuge kann daher die Gesundheitsbelastung deutlich senken, wie Untersuchungen von LfULG und TROPOS anhand der Umweltzone in Leipzig 2017 zeigen konnten. Ruß wirkt sich aber nicht nur auf die menschliche Gesundheit negativ aus. Immer deutlicher wird, dass Ruß auch zur Klimaerwärmung beiträgt, indem die dunklen Teilchen Licht absorbieren oder zur Wolkenbildung beitragen.
Zu den Mengen und zur Verteilung von Ruß in der Atmosphäre bestehen aber laut aktuellem Bericht des Weltklimarates IPCC noch große Wissenslücken. Während Höhenobservatorien im Himalaya oder den Alpen Einblicke in diese Prozesse geben, ist das Bild besonders in der Südhemisphäre noch sehr unvollständig. Dabei gelangen über Waldbrände in den Tropen und aus dem Verkehr der wachsenden Metropolen der Schwellenländer vermutlich große Mengen an Ruß in die Atmosphäre. Wichtige Einblicke erhofft sich die Wissenschaft daher vom 2012 in Betrieb gegangenen Höhenobservatorium Chacaltaya in Bolivien. Die Station ist mit 5240 Metern zurzeit die weltweit höchste Messstation. Sie wird von der Universidad Mayor de San Andres (UMSA-LFA) in Bolivien betrieben und von mehreren Arbeitsgruppen aus Frankreich (Grenoble University/IGE, Laboratoire des Sciences du Climat et de l’Environnement/LSCE und Laboratoire de Météorologie Physique/LaMP), Deutschland (Leibniz-Institut für Troposphärenforschung/TROPOS) und Schweden (Stockholm University/SU) unterstützt, da sie auf der Südhalbkugel einmalig und von großer Bedeutung für die Atmosphärenforschung ist. Mit Bogota (rund 7 Millionen Einwohner auf ca. 2640m), Quito (rund 2 Millionen Einwohner auf ca. 2850m) und La Paz (rund 2 Millionen Einwohner auf ca. 3590m) liegen in Südamerika mehrere der schnell wachsenden Metropolen in großer Höhe. Die Luftverschmutzung dort wirkt sich daher besonders stark auf die Atmosphäre und das globale Klima aus.
Für die jetzt veröffentlichte Studie konnte das Team mit Forschern aus Bolivien, Deutschland, Frankreich, den USA, Schweden und Italien auf einmalige Voraussetzungen zurückgreifen: Drei Stationen in unterschiedlichen Höhen (Innenstadt von La Paz auf 3590m, Flughafen El Alto auf 4040m und Observatorium Chacaltaya auf 5240m) ermöglichten, den vertikalen Transport des Rußes nachzuvollziehen. „Die Messungen zeigen deutlich, wie der Ruß aus der Stadt Im Talkessel mit der erwärmten Luft nach oben auf die Hochebene von El Alto und dann zum Teil bis auf die Gipfel der Anden steigt“, erklärt Prof. Alfred Wiedensohler vom TROPOS. Daran, dass der Ruß in La Paz überwiegend aus dem Straßenverkehr stammt, besteht aus Sicht der Wissenschaftler kein Zweifel. Wegen der Volkszählung am 21. November 2012 war in Bolivien 24 Stunden lang aller Verkehr komplett verboten, damit die Bevölkerung an ihrem Wohnort registriert werden kann. Lediglich Krankenwagen durften für Noteinsätze noch fahren. „Das Ergebnis war beeindruckend: Die Belastung durch Ruß ging an der Straße von etwa 20 auf unter einem Mikrogramm pro Kubikmeter zurück. Das entspricht etwa dem Rückgang von 100 auf vier Prozent. Deutlicher lässt sich die Belastung durch Ruß aus Straßenverkehr nicht demonstrieren“, berichtet Alfred Wiedensohler. Und Mitautor Dr. Marcos Andrade von der Universidad Mayor de San Andrés in La Paz (LFA-UMSA), der die Station Chacaltaya leitet, ergänzt: „Dieses Ergebnis ist wichtig, da mehrere Städte in der Region mit dem gleichen Problem konfrontiert sein könnten. So hat beispielsweise Cochabamba, die drittgrößte Metropole Boliviens, nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO ernsthafte Luftqualitätsprobleme. Daher kann diese Studie dazu beitragen, die Vorschriften zur Verbesserung der Luftqualität in verschiedenen Städten des Landes zu verschärfen.“
Für die an der Studie beteiligten Wissenschaftler ist klar: Der wachsende Verkehr in den Metropolen der Schwellenländer mit Dieselfahrzeugen ohne Partikelfilter ist ein zunehmendes Gesundheitsrisiko für Millionen Menschen. Und er bremst auch die Bemühungen aus, den Klimawandel durch Reduktion der Treibhausgas-Emissionen einzudämmen. Tilo Arnhold
Publikation:
Wiedensohler, A., Andrade, M., Weinhold, K., Müller, T., Birmili, W., Velarde, F., Moreno, I., Forno, R., Sanchez, M. F., Laj, P., Ginot, P., Whiteman, D. N., Krejci, R., Sellegri, K., Reichler, T. (2018): Black carbon emission and transport mechanisms to the free troposphere at the La Paz/El Alto (Bolivia) metropolitan area based on the Day of Census (2012). Atmos. Environ., 194, 158-169 p. doi:10.1016/j.atmosenv.2018.09.032
https://doi.org/10.1016/j.atmosenv.2018.09.032
Die Studie wurde gefördert von der Europäischen Union im Rahmen des H2020-Programms (ACTRIS-2), dem Umweltbundesamt (WCCAP), IRD France (CHARME) sowie den Fördermittelgebern FORMAS und STINT aus Schweden.
Veranstaltung:
COP24-Side-Event "Sustainable solutions to combat climate change: contribution of engineers and reducing air pollution" mit Dr. Kathleen Mar (IASS), Prof. Andreas Wahner (FZ Jülich) und Prof. Hartmut Herrmann (TROPOS) am 3. Dezember von 10:30 bis 12:00 Uhr im Raum Vienna des EU-Pavillons in Katowice:
https://www.tropos.de/index.php?id=888&L=0
Links:
Die Vermessung der Arktis: Rußpartikeln auf der Spur (12.03.2018)
Umweltzone senkt Gesundheitsbelastung deutlich (14.12.2017)
Manila Aerosol Characterization Experiment (MACE-2015)
https://www.tropos.de/aktuelles/messkampagnen/blogs-und-berichte/mace-2015/
Minderung von Ruß-Emissionen – Eine Chance für Gesundheit und Klima? (LfULG-Statuskolloquium Luft, Dresden, 08.12.2014)
https://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/download/Wiedensohler_Statuskolloquium_Luft_Dresden.pdf
Höhenobservatorium Chacaltaya (5240 m) in Bolivien nimmt Betrieb auf (24.04.2012)
https://www.tropos.de/aktuelles/pressemitteilungen/details/chacaltaya-5240-m-in-bolivien/
Chacaltaya GAW Station (CHC)
LaPaz@2020
http://www.bolivie.ird.fr/recherche/projets-de-recherche/environnement-et-ressources/lapaz-2020
Kontakt:
Prof. Alfred Wiedensohler
Leiter der Abteilung Experimentelle Aerosol- und Wolkenmikrophysik am
Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS)
Tel. +49-341-2717-7062
http://www.tropos.de/institut/ueber-uns/mitarbeitende/alfred-wiedensohler/
Dr. Marcos Andrade
Director of the LFA, Coordinator of the CHC-GAW station
Laboratorio de Física de la Atmósfera, IIF-UMSA, Bolivia
Universidad Mayor de San Andrés in La Paz
Tel. +591-2799155
http://www.chacaltaya.edu.bo/lfa-bolivia.html
oder
Tilo Arnhold
TROPOS-Öffentlichkeitsarbeit
Tel. +49-341-2717-7189
http://www.tropos.de/aktuelles/pressemitteilungen/