Das Rätsel der sich mischenden Wolkentröpfchen
Leipzig,
03.06.2019
EU fördert Untersuchungen in Leipzig im Rahmen der Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen
Leipzig. Einen wichtigen Beitrag, Wolken künftig in Klimamodellen genauer zu berücksichtigen, will ein Projekt leisten, das jetzt am Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) gestartet ist. Die Meteorologin Dr. Wiebke Frey wird dazu in den kommenden zwei Jahren atmosphärische Wolken im Windkanal des TROPOS-Wolkenlabors nachstellen und modellieren, um Mischprozesse in Wolken zu untersuchen. Gefördert werden die Arbeiten der Wissenschaftlerin, die zuvor an der Universität Manchester in Großbritannien tätig war, mit einem Individual Fellowship im Rahmen des Marie Skłodowska-Curie-Förderprogramms (MSCA). Damit unterstützt die EU die Karriereentwicklung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Es ist das erste MSCA-Fellowship dieser Art, das an das TROPOS geht.
Wolken und deren Wechselwirkungen mit dem Klima bleiben eine der größten Herausforderungen bei der Vorhersage des zukünftigen Klimas. Klimamodelle sind aufgrund ihrer groben Auflösung nicht in der Lage, viele kleinräumige Prozesse in den Wolken zu berücksichtigen. Diese Prozesse werden deshalb durch statistische Formulierungen – so genannte Parametrisierungen – dargestellt, die von Natur aus mit Unsicherheiten behaftet sind. Dies gilt besonders, wenn die zugrunde liegenden Prozesse bisher wenig oder unvollständig verstanden sind. Einer der wichtigsten dieser kleinräumigen Prozesse ist die turbulente Vermischung von bewölkter und wolkenfreier Luft, das Entrainment. Da Wolken sehr dynamische Gebilde sind und einen wichtigen Beitrag zur Strahlungsbilanz der Erde leisten, ist ein besseres Verständnis eben dieser Mischprozesse nötig.
Mehr über die Mischungsprozesse am Rande von Wolken will jetzt ein neues Projekt am TROPOS herausfinden. Diese Prozesse verändern die Eigenschaften von Wolkenpartikeln, wie z.B. deren Anzahl und Größen in der Wolke. Dies wiederum beeinflusst die Strahlungseigenschaften der Wolke. Mischungsprozesse an den Rändern der Wolke haben außerdem Auswirkungen auf die Lebensdauer der Wolke. Die Mischungsprozesse und ihre Abbildung in den numerischen Modellen sind für einen Großteil der starken Unterschiede bei den Abschätzungen zur zukünftigen Klimaentwicklung mitverantwortlich. „Bislang gibt es keine zuverlässige mathematische Formulierung, die es erlaubt, diese Mischprozesse in Form von physikalischen Wolken- und Umgebungsgrößen zu verstehen und zu beschreiben. Das Modell des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersage (ECMWF) beispielsweise verwendet eine Mischungsrate, die mit steigender relativer Luftfeuchtigkeit sinkt, während ein anderes weit verbreitetes Schema (von Kain und Fritsch) das Gegenteil tut. Dies zeigt, dass dieser Mischungsprozess selbst noch nicht gut verstanden wird. Mein Projekt steht deshalb unter dem Titel: ‚Solving The Entrainment Puzzle‘ (‚Das Rätsel des Entrainments lösen‘)“, erklärt Dr. Wiebke Frey.
Frey will dazu im Windkanal des TROPOS-Wolkenlabors, die atmosphärischen Bedingungen wie sie in Freilandmessungen an realen Wolken beobachtet wurden, nachstellen und dann gezielt spezielle Parameter variieren. Die Daten stammen von der Messkampagne „Azores stratoCumulus measurements Of Radiation, turbulEnce and aeroSols“ (ACORES). Im Rahmen dieser Kampagne hatte im Juli 2017 ein internationales Forscherteam unter Leitung des TROPOS Wolken, u.a. unter Verwendung der Hubschrauber getragenen Messplattform (ACTOS), um die Inselgruppe der Azoren im Nordatlantik untersucht. Die Arbeiten im Windkanal und begleitende hochaufgelöste Simulationen (Direkte Numerische Simulationen mit Auflösungen im Millimeter-Bereich) sollen helfen, eine genaue physikalische Beschreibung für das Entrainment zu erhalten. Diese will Wiebke Frey im folgenden Schritt in gröberen Simulationen, so genannten Large Eddy Simulations (LES mit Auflösung im 10-Meter-Bereich), einbauen. Dann wird überprüft, wie gut Modell und Realität übereinstimmen. Dafür wird das Atmosphärenmodell ICON-LEM genutzt, das vom Deutschen Wetterdienst zusammen mit dem Max-Planck-Institut für Meteorologie entwickelt wurde. Dabei arbeitet die Neu-Leipzigerin mit den renommierten Wolkenmodellierern Prof. Johannes Quaas von der Universität Leipzig und Prof. Bjorn Stevens vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg zusammen.
„Wir freuen uns sehr, dass Frau Frey unsere Gruppe verstärkt und sich einem schwierigen, aber spannendem Thema widmet. Mit unserem einzigartigen Windkanal LACIS-T wird es erstmals möglich, die physikalischen Parameter zu untersuchen, die diese Mischungsprozesse in Wolken steuern. Vermutlich spielt der Unterschied der Luftgeschwindigkeit innerhalb und außerhalb der Wolke eine große Rolle dabei, den wir bei LACIS-T sehr genau einstellen können. Diese Genauigkeit hat uns die Konstruktion der Anlage nicht gerade leicht gemacht. Wir sind daher sehr gespannt auf die Ergebnisse, die in etwa zwei Jahren vorliegen werden“, betont Dr. Frank Stratmann, Leiter der Arbeitsgruppe Wolken am TROPOS.
Dr. Wiebke Frey hat Meteorologie an der Leibniz-Universität Hannover studiert und an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz zu Flugzeugmessungen von Eispartikeln in der tropischen Tropospausenregion promoviert. Im Anschluss arbeitete sie am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz, der Universität Melbourne in Australien und der Universität Manchester in Großbritannien. Ihre Studien in Leipzig werden von der Europäischen Union im Rahmen der Marie Skłodowska-Curie Actions (MSCA) gefördert. Das Programm ist Teil des europäischen Rahmenprogramms für Forschung und Innovation („Horizon 2020“). Es wurde von der EU im Programmteil „Exzellente Wissenschaft“ angesiedelt und mit einem Budget über sechs Milliarden Euro über die gesamte Laufzeit von „Horizon 2020“ (2014 bis 2020) ausgestattet. Das Programms hat zum Ziel, Forschung und Technologie in Europa zu stärken sowie die Karriere hin zu innovativen Forschenden zu fördern. Für eine persönliche Förderung („Individual Fellowship“/IF) können sich Forschende mit einem Doktortitel oder mindesten vier Jahren Vollzeit-Forschungserfahrung nach dem Universitätsabschluss bewerben. Die Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen dienen vor allem dem Austausch: Forschende werden dazu gefördert, in dem sie in einem anderen Land ihre Kompetenzen erweitern oder vertiefen und ihr Wissen mit der Gasteinrichtung teilen. Tilo Arnhold
Kontakt:
Dr. Wiebke Frey
Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Arbeitsgruppe Wolken
Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS)
Tel. +49 341 2717- 7386
https://www.tropos.de/institut/ueber-uns/mitarbeitende/wiebke-frey/
und
Dr. Frank Stratmann
Leiter der Arbeitsgruppe Wolken
Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS)
Tel. +49 341 2717- 7142
https://www.tropos.de/institut/ueber-uns/mitarbeitende/frank-stratmann/
oder
Tilo Arnhold
TROPOS-Öffentlichkeitsarbeit
Tel. +49-341-2717-7189
http://www.tropos.de/aktuelles/pressemitteilungen/
Links:
Solving The Entrainment Puzzle (STEP) project @ Twitter:
https://twitter.com/@STEP_msca
Arbeitsgruppe Wolken am TROPOS:
https://www.tropos.de/institut/abteilungen/experimentelle-aerosol-und-wolkenmikrophysik/ag-wolken/
Messkampagne „Azores stratoCumulus measurements Of Radiation, turbulEnce and aeroSols“ (ACORES) 2017:
https://www.tropos.de/aktuelles/pressemitteilungen/details/wolken-ueber-der-wetterkueche-die-azoren-im-fokus-eines-internationalen/
Weltweit einzigartiger Windkanal im Leipziger Wolkenlabor hat Betrieb aufgenommen (2017):
https://www.tropos.de/aktuelles/pressemitteilungen/details/weltweit-einzigartiger-windkanal-im-leipziger-wolkenlabor-hat-betrieb/
https://www.tropos.de/entdecken/fotogalerien/einweihung-lacis-t/
https://www.tropos.de/forschung/grossprojekte-infrastruktur-technologie/technologie-am-tropos/aerosolversuchsanlagen/lacis-t/
Marie Skłodowska-Curie Actions (MSCA):
https://www.kowi.de/kowi/marie-s-curie/marie-sk%C5%82odowska-curie-actions-msca.aspx
https://www.kowi.de/kowi/marie-s-curie/individualfoerderung/individual-fellowships.aspx
Das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft, die 95 selbständige Forschungseinrichtungen verbindet. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen.
Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit.
Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen - u.a. in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 20.000 Personen, darunter 10.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei mehr als 1,9 Milliarden Euro.
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