Auszeichnung für Forschung im Zwielicht
Leipzig, 12.07.2013
Leipziger Abiturienten beschreiben mathematisch die optischen Streueffekte der „Twilight-Zone“
Dresden/Leipzig. Wie groß ist eine Wolke? Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten, denn eine Wolke hat keinen scharfen Rand. Vielmehr ist der Übergang zwischen Wolke und klarem Himmel fließend. Man spricht auch von der Zwielicht-Zone (engl. „Twilight-Zone“), die Atmosphärenforschern auf der ganzen Welt seit längerem großes Kopfzerbrechen bereitet. Den Leipziger Abiturienten Johannes Petzold und Jakob Ullmann von der Wilhelm-Ostwald-Schule ist es nun im Rahmen ihrer besonderen Lernleistungen (BeLL) gelungen, die optischen Streueffekte in dieser Zone mathematisch zu beschreiben. In zwei zunächst unabhängigen Arbeiten nutzten sie Daten der Wolkenkamera und eines Lidars des Leipziger Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS).
Die BeLL von Jakob Ullmann wurde am Donnerstag, dem 11. Juli 2013, vom Helmholtz-Zentrum Dresden Rossendorf (HZDR) mit dem VON ARDENNE-Physikpreis ausgezeichnet. Außerdem erhielten Jakob Ullmann und Johannes Petzold jeweils einen der Dr. Hans-Riegel-Fachpreise im Fach Geographie, mit denen die Technische Universität Dresden und die Dr. Hans Riegel-Stiftung am 5. Juli 2013 Forschungsarbeiten von sächsischen SchülerInnen ausgezeichnet haben. Betreut wurden die beiden Schüler am Ostwald-Gynmasium von Petra Schupke und am TROPOS von Johannes Bühl und Dr. Ulla Wandinger aus der Abteilung für bodengebundene Fernerkundung.
Eine Wolke entsteht dort, wo die relative Luftfeuchtigkeit der Atmosphäre 100 Prozent übersteigt. Der Teil des Wasserdampfes, den die Luft nicht mehr aufnehmen kann, schlägt sich dann auf Aerosolpartikeln (Staubpartikel, Seesalz, Ruß, Schwefelwasserstoffe) nieder. Es entsteht eine große Anzahl mikroskopisch kleiner Tröpfchen, die wir am Himmel als „Wolke“ wahrnehmen.
Eine solche Wolke entsteht jedoch nicht einfach schlagartig. In der unmittelbaren Umgebung einer Wolke ist die Luftfeuchtigkeit bereits erhöht, die Sättigungsgrenze aber noch nicht erreicht. Schon bei einer Luftfeuchtigkeit von ca. 70 Prozent wächst so auf den Aerosolpartikeln eine Wasserschicht. Diese aufgequollenen Partikel streuen das Sonnenlicht bereits wesentlich besser als trockene. Um die eigentliche Wolke herum entsteht so ein Bereich diffusen Nebels, den wir mit dem Auge wahrnehmen oder mit einer Kamera aufzeichnen können. Der israelische Forscher Ilan Koren gab diesem Bereich 2007 den Namen „Twilight-Zone“ und wies darauf hin, dass es wichtig ist, die optischen Eigenschaften dieser Zone zu erforschen. Aerosole und Wolken spielen unabhängig voneinander eine große Rolle für die Entwicklung des Erdklimas. Optische Satellitenmessungen wiederum liefern wichtige Eingangsdaten für Klimasimulationen. Wenn hier Aerosole und Wolke nicht genau unterschieden werden können, schleichen sich entscheidende Fehler in die Berechnungen ein. An den Rändern von Wolken (in der Twilight-Zone) sind optische Messungen jedoch immer zweideutig: Wo hört die Wolke auf, wo fängt das trockene Aerosol an? Ilan Koren und seine Kollegen nutzten daher Satellitenbilder von Wolken über dem freien Ozean um die Struktur der Twilight-Zone zur erforschen. Die verwendeten Aufnahmen des NASA-Satelliten Aqua haben allerdings einen entscheidenden Nachteil: Man kann auf ihnen nur Strukturen erkennen, die größer sind als ein Kilometer.
Hier setzen die Untersuchungen von Jakob Ullmann an. Die bodengebundene Wolkenkamera des TROPOS kann Wolkenstrukturen bereits ab einem Meter Größe erfassen. So wurde es möglich, das Phänomen der Twilight-Zone auch auf Größenskalen zu untersuchen, die aus dem Weltraum nicht zugänglich sind. Die Umkehrung der Blickrichtung hat allerdings Konsequenzen: Während ein Satellit weiße Wolken über einem nahezu schwarzen Ozean sieht, ist ein vom Boden gemachtes Foto wesentlich schwieriger zu interpretieren. Die Farbe des Himmelshintergrundes ändert sich ständig, die Sonne ist als „Störquelle“ im Bild zu sehen und geometrische Verzerrungen durch das Objektiv der Wolkenkamera erschweren die Auswertung der Daten. Die Bilder müssen daher zunächst aufwendig vorverarbeitet werden, bevor die „Twilight-Zone“ vermessen werden kann. Für die Vorverarbeitung und die Vermessung der Wolkenbilder entwickelte Jakob Ullmann spezielle Auswertealgorithmen und Optimierungsverfahren. So konnte die „Twilight-Zone“ für eine große Anzahl von Wolken nun auch auf kleinen Skalen präzise vermessen werden. Die Verfahren funktionieren dabei in beide Richtungen: Sie eignen sich sowohl für die Vermessung als auch für die Simulation einer Twilight-Zone. Die Arbeit wurde nun von einer Jury aus Professoren des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf sowie der sächsischen Universitäten mit dem VON ARDENNE-Physikpreis ausgezeichnet, der mit einem Geldbetrag dotiert ist. Er wurde am 11. Juli 2013 in Rossendorf an Jakob Ullmann und weitere Schüler verliehen. Der Preis wird vergeben für hervorragende BeLL-Arbeiten an sächsischen Schulen.
Im Rahmen einer weiteren BeLL, die zur selben Zeit am TROPOS durchgeführt wurde, beschäftigte sich Johannes Petzold mit der Vermessung von Wolkenhöhen. Dabei wurde die Höhe der Wolkenbasis über dem Erdboden mit Hilfe eines Lasers vermessen (Lidar-Prinzip). Die Kombination von Messergebnissen beider BeLL-Arbeiten erlaubte es erstmals, die Höhenabhängigkeit der Twilight-Zone zu vermessen. Für Wolken in niedrigen Höhen (ein Kilometer) ist sie demnach ca. 100 Meter groß, nimmt jedoch mit der Höhe an Größe zu und erreicht für „mittelhohe“ Wolken (Altocumulus) 800 Meter. (Als Maß für die Größe wird hier die „Halbwertsbreite“ herangezogen, also der Abstand von der eigentlichen Wolke bei dem die ursprüngliche Lichtintensität auf 37 Prozent ihres Anfangswertes abgefallen ist.) Diese Ergebnisse wurden im Rahmen einer gemeinsamen Jugend-Forscht-Arbeit präsentiert und am 5. Juli 2013 in der TU Dresden mit dem Dr. Hans-Riegel-Fachpreis ausgezeichnet.
Thema „Aerosol und Wolken":
Die Untersuchung von Aerosolen, Wolken und deren Wechselwirkung ist ein Forschungsschwerpunkt des TROPOS. Die Forscher der Abteilung für bodengebundene Fernerkundung nutzen dabei passive Messgeräte (Wolkenkameras, Radiometer) und aktive (Lidar). Die Abkürzung Lidar bedeutet „Light Detection And Ranging“, dabei wird ein nur wenige Nanosekunden langer Lichtpuls senkrecht in die Atmosphäre gesendet. Das von Luftmolekülen, Aerosolpartikeln und Wolkentropfen zurückgestreute Licht wird am Boden mit Hilfe eines Teleskops aufgefangen und mit speziellen Detektoren analysiert. So kann man Rückschlüsse darüber treffen, wie Aerosole und Wolken miteinander interagieren und wie auf diese Weise z.B. Niederschlag entsteht. Die Bewohner Leipzigs werden den „grünen Strahl“ kennen, der öfters bei niedriger Bewölkung über dem Gelände des Wissenschaftsparks Permoserstraße zu sehen ist. Er stammt vom Lidar „MARTHA“.
Thema „Besondere Lernleistung":
Eine besondere Lernleistung (BeLL) kann in Sachsen fakultativ von Schülern der 11. Klasse angefertigt werden. Dazu steht in Klasse 11 alle zwei Wochen ein kompletter Schultag zur Verfügung. Die Arbeit wird durch eine Physik-Lehrkraft der Schule betreut und benotet und fließt mit in die Abiturnote ein. Das Thema kann dabei frei gewählt werden.
Weitere Informationen:
Johannes Bühl
Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS), Leipzig
Tel.: 0341-2717-7312
oder Beate Richter/ Tilo Arnhold, TROPOS-Öffentlichkeitsarbeit
Tel. 0341-2717-7060
http://www.tropos.de/ift_personal.html
Links:
VON ARDENNE-Physikpreis:
http://www.hzdr.de/db/Cms?pOid=11336&pNid=901
Fotos der Verleihung der VON ARDENNE Physikpreise 2013 (Bildquelle: HZDR):http://www.hzdr.de/db/Cms?pNid=2962
Pressemitteilungen des HZDR und der VON ARDENNE Anlagentechnik GmbH: http://www.hzdr.de/db/Cms?pOid=39353&pNid=473
Dr. Hans Riegel-Fachpreise:
Messungen am TROPOS:
Aufnahmen der Wolkenkamera:
http://polly.tropos.de/webcam/
Messungen der Wolkenhöhen:
polly.tropos.de/lacros/ceilometer/ceilometer.phpLeipzig
Aerosol and Cloud Observations System (LACROS):
http://polly.tropos.de/lacros/