ACTRIS: Größte standortübergreifende Infrastruktur für die Atmosphärenforschung weltweit offiziell gestartet
Brüssel/Leipzig, 26.04.2023
ACTRIS (Aerosol, Clouds and Trace Gases Research Infrastructure) wurde als europäische Forschungs-infrastruktur gegründet, um Wissenschaft, Wirtschaft und Behörden den Zugang zu einer breiten Palette von hochwertigen Daten, Technologien, Dienstleistungen und Ressourcen zu eröffnen sowie die Spitzenforschung und internationale Zusammenarbeit im Bereich der Atmosphärenforschung zu fördern.
Die Europäische Kommission hat ACTRIS offiziell als europäisches Forschungsinfrastruktur-Konsortium (ERIC1) gegründet. Mit seinem ERIC-Status ist ACTRIS nun rechtlich als europäische Forschungsinfrastruktur2 für die Atmosphärenforschung anerkannt. Der Aufbau von ACTRIS in Europa läuft noch bis 2025, danach wird ACTRIS in die Betriebsphase übergehen. Spätestens dann sind alle ACTRIS-Dienste über www.actris.eu zugänglich.
Der satzungsmäßige Sitz des ERIC ist Finnland und das Koordinationsbüro befindet sich in Helsinki. Weitere Zentrale Einrichtungen sowie die Nationalen Einrichtungen, die ACTRIS-Dienste bereitstellen, sind über die 17 Mitgliedsländern von ACTRIS verteilt.
Am deutschen ACTRIS-Beitrag (ACTRIS-D) sind insgesamt 11 Universitäten, Forschungsinstitute und Behörden beteiligt3. Der Aufbau der deutschen Kalibrierzentren, Beobachtungsstationen, Atmosphären-Simulationskammern und mobilen Messplattformen wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) über acht Jahre mit insgesamt 86 Millionen Euro gefördert. Gleichzeitig hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) die Finanzierung des deutschen Mitgliedsbeitrags und des Betriebs der deutschen Kalibrierzentren übernommen. Koordiniert wird ACTRIS-D durch das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) in Leipzig.
Wichtiges Werkzeug gegen den Klimawandel
Um die treibenden Kräfte des Klimawandels und der Luftverschmutzung verstehen zu können, ist es notwendig, ausreichend Daten über kurzlebige atmosphärische Bestandteile (Aerosole, Wolken und Spurengase), ihre räumliche und zeitliche Verteilung sowie die zugrunde liegenden Prozesse zur Verfügung zu haben. ACTRIS liefert langfristige Beobachtungsdaten von hoher Qualität und ausreichender Dichte, um zuverlässige Vorhersagen zu ermöglichen. Dies schließt kurzfristige Wetter- und Gesundheitswarnungen sowie langfristige Auswirkungen des Klimawandels ein.
ACTRIS erhebt bereits seit über einem Jahrzehnt Beobachtungsdaten an mehr als 80 Standorten in Europa und weltweit. Die qualitätsgesicherten Messungen bieten beispiellose Einblicke in die Wirksamkeit von Emissions-Minderungsmaßnahmen in Europa und zeigen die komplexen Rückkopplungsmechanismen auf, die im Klimasystem wirken. Hunderte von Forschenden aus der ganzen Welt, aber auch die private Wirtschaft haben Observatorien und Simulationskammern von ACTRIS genutzt, um neue Experimente durchzuführen, neue Instrumente zu entwickeln oder sich in neuen Technologien weiterzubilden. Bereits jetzt greifen jedes Jahr über 5000 Personen in rund 50 Ländern der Welt für ihre Forschung auf die ACTRIS-Datenbank zu.
Mit seinem ERIC-Status ist ACTRIS nun rechtlich als europäische Forschungsinfrastruktur2 im Bereich der Atmosphärenforschung anerkannt. Diese Entscheidung der Europäischen Kommission gibt ACTRIS eine stabile rechtliche Struktur, die den länderübergreifenden Betrieb langfristig ermöglicht, aber auch Vorteile für internationale Organisationen mit sich bringt, die von den ACTRIS-Diensten profitieren.
Die ACTRIS-Einrichtungen mit mehr als 100 beteiligten Institutionen bilden zusammen die größte standortübergreifende Infrastruktur für die Atmosphärenforschung in der Welt. ACTRIS bietet seinen Nutzerinnen und Nutzern freien Zugang zu Messeinrichtungen, Fachwissen, Schulungsmöglichkeiten und FAIR4-Datenmanagementdiensten. Alle Interessierten, unabhängig von ihrer Herkunft, ihrem Fachgebiet oder ihrem Tätigkeitsbereich, können von den europaweiten Open-Access-Diensten von ACTRIS profitieren. ACTRIS zielt darauf ab, die Exzellenz in der Erdsystembeobachtung und -forschung zu steigern, indem der Gesellschaft Wissen zur Entwicklung nachhaltiger Lösungen der vorhandenen Probleme bereitgestellt wird. Alle ACTRIS-Dienste sind zentral über http://www.actris.eu erreichbar.
„Es ist schön zu sehen, dass es nach vielen Jahren Arbeit jetzt richtig losgeht und ACTRIS offiziell gestartet ist. Damit bekommen wir die Grundlage, die wir brauchen, um gesellschaftsrelevante Fragestellungen der Atmosphärenforschung langfristig und nachhaltig anzugehen“, sagt Ulla Wandinger vom TROPOS, Koordinatorin des deutschen Beitrags zu ACTRIS und des Aufbaus der deutschen Nationalen Einrichtungen.
Dezentral, aber stark vernetzt
Die Gründung des ACTRIC-ERIC hat eine lange Vorgeschichte, in der projektbasierte Netzwerke zu einer ausgereiften und nachhaltigen Forschungsinfrastruktur wurden. Die Gründung ist das Ergebnis von mehr als zwanzig Jahren konsequenter Vorbereitungsarbeit unter aktiver Beteiligung der Forschungseinrichtungen, der ACTRIS-Mitgliedsländer und der Europäischen Kommission. Finnland erhält den satzungsmäßigen Sitz und wird die Gesamtkoordination von ACTRIS übernehmen, während Italien den Zugang zu den ACTRIS-Diensten verwalten wird. Deutschland trägt einen Großteil des technischen Know-hows bei und wird dieses in der Zukunft im Rahmen von ACTRIS auch weiterentwickeln.
"Diese Entscheidung bedeutet, dass die ACTRIS-Einrichtungen nun rechtlich gemeinsam als eine Organisation agieren können", sagt Eija Juurola, Interimsleiterin des ACTRIS-Koordinationsbüros. "Die Entscheidung kommt zu einem wichtigen Zeitpunkt, da der Übergang zum Betrieb bereits stattfindet und sich die Synergien mit den Forschenden und der Industrie kontinuierlich entwickeln."
Die Kernkomponenten von ACTRIS sind die Nationalen Einrichtungen auf Länderebene, die aus Beobachtungs- und Forschungsplattformen bestehen, sowie die Zentralen Einrichtungen, die für die Bereitstellung harmonisierter Daten von hoher Qualität sorgen und deshalb auf europäischer Ebene organisiert sind.
"Jede dieser Zentralen Einrichtungen wurde oder wird gebaut, um sich auf bestimmte Bereiche der Atmosphärenwissenschaft und -technologie zu spezialisieren und andere Einrichtungen zu ergänzen. Jede einzelne von ihnen gehört für sich genommen zu den weltweit führenden“, sagt Markus Hermann vom TROPOS, Koordinator für den Aufbau der deutschen Zentralen Einrichtungen.
Die Zentralen und Nationalen ACTRIS-Einrichtungen sind über die 17 Mitglieder des ACTRIS-ERIC verteilt: Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Italien, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Rumänien, Spanien, Schweden, Schweiz, Tschechien und Zypern. Griechenland und das Vereinigte Königreich haben ihr Interesse an einem späteren Beitritt bekundet. Mit ihrem Engagement zeigen die Mitgliedsländer, dass die Erforschung der Atmosphäre und der Luftqualität für mindestens die nächsten fünf Jahre eine nationale Priorität darstellt. Sie unterstützen damit außerdem wissenschaftliche Spitzenleistungen in ganz Europa. Insgesamt ist ACTRIS nach Beginn des vollständigen Betriebs im Jahr 2025 für eine Laufzeit bis mindestens 2050 geplant. Die Mitgliedschaft der Länder im ACTRIS-ERIC bedeutet, dass diese Länder die EU-Strategie mitgestalten, auftragsbezogene Forschung initiieren und sich aktiv in die Wissenschafts- und Bildungslandschaft einbringen.
Die Forschenden, die zu ACTRIS kommen, um vor Ort an den Zentralen oder Nationalen Einrichtungen zu arbeiten, werden in der Lage sein, multidisziplinäre Studien durchzuführen, die sowohl für die Grundlagenforschung als auch für die angewandte Forschung relevant sind. Der Nutzen für die Gesellschaft reicht dabei von Strategien zur Verringerung von Schadstoffemissionen und der Verbesserung der Luftqualität über die Eindämmung des Klimawandels bis hin zum Erreichen der Ziele des europäischen Green Deal.
Große Investitionen in die europäische Umwelt- und Klimaforschung
ACTRIS ist eine große Forschungsinfrastruktur mit einem beträchtlichen Finanzvolumen. Seine Aktivitäten werden von den Mitgliedsländern finanziert. Die Gesamtinvestitionen der teilnehmenden Länder in der Konzeptions-, Vorbereitungs- und Umsetzungsphase belaufen sich auf etwa 700 Mio. Euro, wovon ein großer Teil auf die Modernisierung der bestehenden Zentralen und Nationalen Einrichtungen oder den Bau neuer Einrichtungen entfällt. Die geschätzten Gesamtkosten für die Implementierung der acht Zentralen Einrichtungen über einen Zeitraum von fünf Jahren belaufen sich auf etwa 100 Mio. Euro. Die jährlichen Betriebskosten der Zentralen Einrichtungen ab 2025 werden auf etwa 16 Mio. Euro geschätzt.
"Dank konzentrierter internationaler Zusammenarbeit ist es uns gelungen, in nur zehn Jahren hochmoderne wissenschaftliche Instrumente zu bauen und in Betrieb zu nehmen, die beispiellose Möglichkeiten für bahnbrechende Entdeckungen eröffnen", sagt Paolo Laj, Interimsvorsitzender von ACTRIS. "ACTRIS festigt seine Position in der nationalen, europäischen und internationalen Forschungslandschaft und baut seine Rolle als Schlüsselakteur in der Umweltforschung aus. Die Qualität der Dienstleistungen, die offene Innovationskultur und die Fähigkeit, auf die Nachfrage der Nutzergemeinschaften zu reagieren, werden das Vertrauen zwischen ACTRIS und seinen Partnern stärken."
Zusammen mit anderen europäischen Umweltforschungsinfrastrukturen sorgt ACTRIS für höhere Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen, eine gleichmäßigere Verteilung der wissenschaftlichen Kapazitäten und einen besseren Zugang zu exzellenter Forschung und Entwicklung in der Atmosphärenforschung in ganz Europa. Das verbessert auch die Wettbewerbsfähigkeit der EU. Damit trägt ACTRIS zur Verwirklichung der Ziele des neuen Europäischen Forschungsraums (EFR) bei.
Weitere Informationen
Links:
COMMISSION IMPLEMENTING DECISION (EU) 2023/900 of 25 April 2023 setting up the Aerosol, Clouds and Trace Gases Research Infrastructure (ACTRIS ERIC) (notified under document C(2023) 2646):
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=CELEX%3A32023D0900&qid=1683103540414
STATUTES OF ACTRIS ERIC (2023/C 156/02):
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=uriserv:OJ.C_.2023.156.01.0002.01.ENG&pk_campaign=todays_OJ&pk_source=EURLEX&pk_medium=TW&pk_keyword=Actiris&pk_content=Other&pk_cid=EURLEX_todaysOJ
Pressemitteilung von ACTRIS:
https://www.actris.eu/news-events/news/actris-eric-establishment
Deutscher Beitrag ACTRIS-D:
https://www.fona.de/de/massnahmen/forschungsinfrastrukturen/actris-d.php & https://www.tropos.de/actris-d
Glossar:
1. Was ist ein ERIC?
Ein Europäisches Forschungsinfrastruktur-Konsortium (ERIC) ist eine einzigartige Rechtspersönlichkeit, die durch eine EU-Verordnung ermöglicht wird, um die Einrichtung und den Betrieb von Forschungsinfrastrukturen von europäischem Interesse zu erleichtern. Der ERIC-Status verleiht den Forschungsinfrastrukturen eine in allen EU-Mitgliedstaaten anerkannte Rechtspersönlichkeit. Als internationale Organisation sind seine Mitglieder Länder, die wissenschaftlich und finanziell zum Konsortium beitragen.
2. Was ist eine Forschungsinfrastruktur?
Forschungsinfrastrukturen sind Einrichtungen, Ressourcen und damit verbundene Dienstleistungen, die von der wissenschaftlichen Gemeinschaft genutzt werden, um Forschung zu betreiben und Innovation zu fördern. Sie umfassen wissenschaftliche Ausrüstung, elektronische Infrastrukturen wie Daten- und Computersysteme sowie Fachwissen und Fachpersonal. Ihre Entwicklung wird seit 2002 durch das Europäische Strategieforum für Forschungsinfrastrukturen (ESFRI) koordiniert. ESFRI ist ein strategisches Instrument zur Entwicklung der wissenschaftlichen Integration Europas und zur Stärkung seiner internationalen Reichweite.
3. Wer sind die ACTRIS-D Partner?
Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS)
Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Forschungszentrum Jülich GmbH (FZJ)
Alfred-Wegener-Institut (AWI)
Bergische Universität Wuppertal (BUW)
Goethe-Universität Frankfurt am Main (GUF)
Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU)
Universität Bremen (UBRE)
Universität zu Köln (UzK)
Deutscher Wetterdienst (DWD)
Umweltbundesamt (UBA)
4. FAIR – FINDABLE, ACCESSIBLE, INTEROPERABLE and REUSABLE (AUFFINDBAR, ZUGÄNGLICH, INTEROPERABEL und WIEDERVERWENDBAR)
Die FAIR-Grundsätze beschreiben, wie Forschungsergebnisse organisiert werden sollten, damit sie leichter zugänglich, verständlich, austauschbar und wiederverwendbar sind. Wichtige Fördereinrichtungen, darunter die Europäische Kommission, fördern FAIR-Daten, um die Integrität und Wirkung ihrer Forschungsinvestitionen zu maximieren.
Kontakte:
Dr. Ulla Wandinger (Koordinatorin des deutschen Beitrags zu ACTRIS und des Aufbaus der deutschen Nationalen Einrichtungen), Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS),
Tel. +49-341-2717-7082
und
Dr. Markus Hermann (Koordinator für den Aufbau der deutschen Zentralen Einrichtungen), Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS),
Tel. +49-341-2717-7071
und
Prof. Dr. Andreas Macke,
Direktor des TROPOS,
Tel. +49-341-2717-7060
oder
Tilo Arnhold,
TROPOS-Öffentlichkeitsarbeit,
Tel. +49-341-2717-7189
www.tropos.de/aktuelles/pressemitteilungen/
Hinweis für die Medien:
Fotos in hoher Auflösung finden Sie zur kostenlosen Nutzung für die Medien bei Angabe der Quellen unter:
owncloud.gwdg.de/index.php/s/xT01mtLoVyuoLF5
Eine Bildergalerie mit Fotos der EU-Partner & weiteres Material unter:
www.actris.eu/outreach
Das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft, die 97 selbständige Forschungseinrichtungen verbindet. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen.
Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit.
Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen - u.a. in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 20.500 Personen, darunter 11.500 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.
Der Gesamtetat der Institute liegt bei 2 Milliarden Euro. Finanziert werden sie von Bund und Ländern gemeinsam. Die Grundfinanzierung des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS) wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst (SMWK) getragen. Das Institut wird mitfinanziert aus Steuermitteln auf Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.
http://www.leibniz-gemeinschaft.de
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